Mit Blick auf die Forschungslandschaft der letzten Jahre entsteht zusehends der Eindruck, dass der Boom um die frühneuzeitliche Verwaltungsgeschichte abklingt. Etablierte Forschungskonzepte wie „Kulturgeschichte der Verwaltung“ (Peter Becker), „Verwaltungsgeschichte als Kommunikationsgeschichte“ (Stefan Haas und Mark Hengerer), „Herrschaft als dynamischer und kommunikativer Prozess“ (Markus Meumann und Ralf Pröve) oder „Aushandeln von Herrschaft“ (Stefan Brakensiek) werden immer weniger weiterverfolgt. Dieser generelle Befund gilt für das Heilige Römische Reich ebenso wie für die Habsburgermonarchie.
Einem gängigen Narrativ der österreichischen Verwaltungsgeschichte zufolge legte der Österreichische Erbfolgekrieg (1740–1748) in der Habsburgermonarchie einen dringenden Reformbedarf offen. Diese signifikanten Strukturdefizite waren aber schon in den Jahrzehnten zuvor bekannt, konnten allerdings keiner gesamtstaatlichen Lösung zugeführt werden. Um diese existentielle Krise von Dynastie und Monarchie zu überwinden, bedurften ineffiziente bürokratische Strukturen von Staat, Ständen, Grundherrschaften und Kirche einer grundlegenden Erneuerung. Dieser differenzierte Staatsbildungsprozess der Habsburgermonarchie basierte auf Bürokratisierung und Zentralisierung. Herrschaft wurde im gesamten 18. Jahrhundert durch Bürokratisierung gleichermaßen in den Zentren und in der Peripherie verdichtet. Die österreichische Verwaltungsgeschichte fokussiert dabei im Kontext der Zentralisierung vor allem auf Zentral- und Landesbehörden und sieht die Mitte des 18. Jahrhunderts als entscheidende Zäsur für diese Entwicklungsrichtung an. Die Tagung möchte diese bisherige Engführung der österreichischen Verwaltungsgeschichte aufbrechen, indem dem tradierten Bild von Staatsbildung und Zentralisierung, wie es sich aus der Perspektive der Zentralbehörden oder in der jüngeren Forschung mit Fokus auf die Landstände darstellt, eine regionale Perspektive von Bürokratisierung gegenüber gestellt wird. …
Entsprechend der thematischen Schwerpunktsetzung können sich Beitragsvorschläge auf einen der drei nachfolgenden Themenkomplexe konzentrieren:
A) Beamtentum und Aufklärung
B) Bürokratisierung der Länder und Region/en
C) Staat und Lokalverwaltung
Die vom Institut für Geschichtswissenschaften und Europäischer Ethnologie der Universität Innsbruck in Kooperation mit dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung und dem Forschungsschwerpunkt „Österreich in seinem Umfeld“ der Universität Wien sowie der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts veranstaltete Tagung (Julian Lahner, Reinhard Nießner, Stefan Ehrenpreis, Josef Löffler und Thomas Wallnig) findet vom 15. bis 16. Februar 2024 in Innsbruck statt. Die Veranstaltung versteht sich auch als Forum zum Austausch und der Vernetzung von Nachwuchswissenschaftler:innen, sodass diese explizit zur Bewerbung aufgefordert sind. Bei ausreichenden finanziellen Mitteln wird eine Refundierung in Höhe von 200 bis 250 Euro pro Teilnehmer:in angestrebt. Eine Publikation der Beiträge ist vorgesehen.
Bitte senden Sie Ihren Vorschlag für einen Vortrag mit einer Kurzbeschreibung in deutscher Sprache bis zum 31. Mai 2023 an Dr. Julian Lahner julian.lahner@outlook.com.
Wir freuen uns auf Ihre Ideen!